Kann man Stress kontrollieren? Stress gehört zum Leben dazu und lässt sich nicht grundsätzlich vermeiden. Verändern können wir vor allem unseren Umgang mit Stress. Wie das geht? Das zeigen wir Dir in diesem Text. Das Wichtigste, was Du wissen solltest, ist, dass Stress mit unseren biologischen Funktionen zusammenhängt und vom Gehirn gesteuert wird.
Das Gehirn als biologische Maschine
Das Gehirn ist ein hochkomplexes Organ. Wir wissen zum Beispiel, dass wir nur mit einem kleinen Teil des Gehirns denken - der Großhirnrinde. Hier entstehen Gedanken, hier werden bewusste Entscheidungen getroffen und Informationen über unsere moderne, zivilisierte Welt analysiert. Die Großhirnrinde ist die jüngste Struktur des Gehirns und langsamer als die älteren und hoch automatisierten subkortikalen Strukturen des Gehirns. Richtig! Der größte Teil unseres Gehirns ist eine "inaktive Maschine". Das Gehirn funktioniert, wie ein Automat, d. h., wenn es ein Signal gibt, das diesen Automaten in Gang setzt, wird sofort eine Reaktion ausgelöst. Und das geschieht ungesteuert von unserem Willen. Und dieser Automat ist die Stressschleife.
Stressschleife
Stell Dir die Verbindungen zwischen den Nervenzellen im Gehirn als eine Art Verkabelung vor, die in Schleifen angeordnet ist. Diese Schaltkreise werden eingeschaltet, wenn der entsprechende Reiz auftritt.
Wie funktioniert der Stresskreislauf? Unsere Sinnesorgane sammeln Informationen aus der Außenwelt und unserem Körper und leiten sie an einen Ort namens Thalamus weiter. Dies ist der subkortikale und damit der "nicht denkende" Teil des Gehirns. Unsere Denkzentrale ähnelt einem Postamt, wo von überall her Post eingeht und nach Priorität weitergeleitet wird. Und die höchste Priorität wird immer den Reizen eingeräumt, die mit Gefahr verbunden sind - z. B. etwas Gewalttätiges, Bedrohliches oder etwas sehr Unklares. Dies ist evolutionär in unser Gehirn eingebaut. Unsere Vorfahren haben gelernt, dass solche Reize gefährlich sind und dass es besser ist, sie ernst zu nehmen. Und Mutter Natur hat dies durch die Evolution dauerhaft in unserem Gehirn verankert. Daher das automatisierte Setzen von Prioritäten.
Vorrangige, „bedrohliche“ Informationen werden schnell an eine andere subkortikale (wiederum: "nicht denkende") Struktur weitergeleitet - die Amygdala. Dies ist das Zentrum der Emotionen, und hier wird die Angst erzeugt. Deshalb verspürt man oft Angst, bevor man überhaupt Zeit hat, über das Geschehen nachzudenken. Ein vollautomatischer Vorgang!
Und von der Amygdala läuft die Information durch eine weitere schnelle Verdrahtung zum Locus caeruleus (dem "nicht denkenden" Teil des Gehirns). Dies ist der Beginn des so genannten sympathischen autonomen Systems. Hier wird die Entscheidung "Kampf oder Flucht" herbeigeführt. Es ist eine Reaktion, die Du in Deinem Körper intensiv spüren wirst - Herzschlag und Atmung werden sich beschleunigen, der Blutdruck wird steigen, der Darm ändert seine Arbeitsweise, die Muskeln spannen sich an usw.
Genauso verläuft die Stressreaktion: die Informationen darüber, was in Deinem Körper passiert, gehen an den Thalamus, der... nicht denkt, sondern automatisch reagiert. Beschleunigte Herzfrequenz, Blutdruck, Atmung, Muskelspannung usw. werden automatisch mit einer Bedrohung in Verbindung gebracht. Der Thalamus wiederum teilt der Amygdala mit, dass es besser ist, Angst zu haben und den Körper weiter zu mobilisieren! Die Stress-Schleife beginnt sich zu drehen und zu drehen!
Was aber, wenn die Bedrohung unser Leben gar nicht gefährdet?
Heute ist die Situation schwieriger. Denn meistens werden wir nicht durch Reißzähne und Krallen gestresst, sondern durch Probleme, die über rein biologische Aspekte hinausgehen. Wir machen uns Sorgen über die Arbeit, die Familie, die soziale Situation, Probleme, von denen wir hören und lesen... Diese Sorgen spielen sich in unseren Gedanken ab. Das Problem ist, dass das Gehirn Gedanken mit Fakten verwechseln kann. Unser Grübeln nutzt die neuronale Verdrahtung zwischen der Großhirnrinde, dem Hippocampus (unserem Gedächtnisspeicher - ebenfalls subkortikal und daher "nicht denkend") und der Amygdala - dem Ort, der automatisch Angst erzeugen kann. Der Weg von der Amygdala ist bereits bekannt - sie löst die "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion aus und stimuliert - durch Symptome des Körpers - den Thalamus weiter, um die Stressreaktionsschleife in Fahrt zu bringen.
Wie kann man die Stressreaktion ausschalten?
Wichtig ist, dass die subkortikale, die "nicht denkende" Verdrahtung, die Stressreaktion so lange stimuliert und stärkt, bis der Thalamus das Signal vom Körper erhält, dass die Gefahr vorüber ist. Ein starker Wille allein reicht also nicht aus. Aber wir haben hier mehrere Möglichkeiten auf Lager!
1 >>> Der Thalamus reagiert, indem er vorrangig Nachrichten an den „Angstgenerator“, die Amygdala, sendet, sobald er vom Körper ein Signal über beschleunigte Atmung und Herzschlag, steigenden Blutdruck usw. erhält, und gleichzeitig von den angespannten Muskeln das Signal kommt, ob man sitzt oder liegt. Für das "nicht denkende" Gehirn ist dies ein Gefahrensignal. Schließlich sollst Du doch kämpfen oder fliehen, und was machst Du? Keine Bewegung Deinerseits! Offensichtlich bist Du noch nicht mobilisiert genug - die Stressschleife muss also noch stärker aktiviert werden!
Wie lässt sich das vermeiden? Körperliche Aktivität - dies ist der Weg, der der natürlichen, ursprünglichen Reaktion auf Stress am nächsten kommt. Unsere Vorfahren haben gekämpft oder sind geflohen. Beides erfordert muskulären Einsatz. Wir können uns also bewusst bewegen, um dem Thalamus zu signalisieren: es hat funktioniert! Die Symptome werden vom Körper jetzt mit aktiv durchgeführter und kontrollierter (und damit sicherer) Bewegung in Verbindung gebracht, und unser blinder, nicht denkender" Thalamus atmet erleichtert auf. Alles passt. Es gibt keinen Grund, sich weiter verrückt zu machen.
2 >>> Wir können auch die Herzfrequenz ein wenig verlangsamen. Natürlich ist es am einfachsten, dies mit Medikamenten (z. B. so genannten Betablockern, einschließlich Propranolol) zu erreichen, aber das solltest Du Deinem Arzt oder Deiner Ärztin überlassen. Vorerst werden wir versuchen, ohne externe Hilfe auszukommen. Du kannst Deine Herzfrequenz vorübergehend verlangsamen, indem Du Dein Gesicht in sehr kaltes Wasser tauchst - dies löst eine reflexartige Verlangsamung der Herzfrequenz aus. Für eine Weile. Zumindest aber hilft das, um wirklich erst einmal „durchzuatmen“.
3 >>> Stichwort Atmung: Wir können die Atmung bewusst beruhigen, denn auch dadurch bekommt der Thalamus das Signal, dass die Gefahr vorbei ist. Schließlich atmest Du ja langsamer. Mach also einige Atemübungen. Die einfachste davon ist das achtsame Atmen. Du kannst auch die Quadrat-Atmung verwenden. Das Wichtigste ist, dass Du Deine Atmung verlangsamst. Aber Vorsicht: manchmal endet der Versuch, die Atmung aktiv zu verlangsamen, in Atemnot - weil wir es zu schnell machen.
4 >>> Nicht zuletzt hast Du Einfluss auf Deine Muskeln: Du kannst sie entspannen. Aber das sagt sich so leicht... In der Tat ist es schwierig, die Muskeln einfach zu entspannen. Vielleicht hilft ein warmes Bad, aber für diesen Luxus fehlt uns bisweilen die Zeit oder die Badewanne. Es gibt jedoch einen erprobten Trick, der progressive Muskelentspannung oder Jacobson-Training genannt wird. Dieser hängt damit zusammen, dass der Thalamus nicht denkt und ausgetrickst werden kann. Spann´ die Muskeln noch fester an, halte sie einige Sekunden lang, damit sich der Thalamus an die erhöhte Spannung gewöhnt, und lass´ die Muskeln dann los. Höchstwahrscheinlich kehren sie zu der Spannung von zuvor zurück, aber für den Thalamus wird es sich anfühlen, als hätte sich etwas entspannt! So kannst Du also die weitere Aktivierung der Stress-Schleife umgehen!
Was ist mit dem denkenden Teil des Gehirns?
Natürlich wäre es am besten, den Stress zu reduzieren, indem man die Sorgen abschaltet. Das ist zwar möglich, aber braucht mehr Zeit. Wie Du deine Denkweise so verändern kannst, dass sie Deine Gesundheit fördert…
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Quelle: Prosoma