Der politisch-sozialökonomische Diskurs zur onkologischen Versorgung konzentriert sich weiterhin hauptsächlich auf die körperliche Behandlung. Während diese natürlich unabdingbar ist, wird die psychoonkologische Versorgung deutlich weniger thematisiert. Dabei ist sie ebenso entscheidend, nicht nur wegen der direkten Auswirkungen der psychischen Gesundheit auf die körperliche Verfassung der Patient*innen (und den damit verbundenen niedrigeren Behandlungskosten für Gesundheitssysteme), sondern auch aufgrund der Skalierbarkeit. Psychoonkologische Unterstützung sollte nicht nur den Patient*innen zur Verfügung stehen, sondern auch ihren Betreuer*innen. Bestandteil der psychoonkologischen Versorgung sollte dabei nicht nur Diagnosezeitpunkt, Behandlung, und Nachsorge sein, sondern auch die Prävention zur Stärkung der Resilienz. Die heutige Lage zeigt jedoch, dass, obwohl psychoonkologische Unterstützung in verschiedenen Ländern zunehmend an Bedeutung gewinnt, weiterhin Handlungsbedarf besteht.
Krebs ist weltweit1 die häufigste Todesursache, nach Angaben der WHO gab es fast 10 Millionen Todesfälle allein im Jahr 20202. Die geschätzte Zahl der Krebsfälle wird von 19,3 Millionen weltweit im Jahr 2020 auf 30,2 Millionen im Jahr 20403 ansteigen. Die WHO berichtet, dass etwa jeder fünfte Mensch vor dem 754. Lebensjahr an Krebs erkranken wird. Damit wird Krebs zu einer echten Herausforderung, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft, besonders für Wirtschafts- und Gesundheitssysteme.
Obwohl die Zahl der Krebserkrankungen weltweit zunimmt, sind die Gesundheitssysteme nach wie vor unzureichend auf die Bereitstellung relevanter Unterstützung eingestellt. Dies ist vor allem auf fehlende Ressourcen und Finanzierungsmöglichkeiten, geografische Barrieren oder einfach auf den Mangel an ausgebildeten Spezialist*innen zurückzuführen. Soweit hat derzeit die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zum gesamten Spektrum der grundlegenden Gesundheitsdienste5, wenn es um Krebserkrankungen geht. Vielen von uns wird die Grundversorgung auch verweigert, obwohl wir in einer Zeit atemberaubender Fortschritte in der Krebsprävention, -diagnose und -behandlung leben.
“- Jedes onkologische Zentrum ist aufgefordert, psychoonkologische Leistungen zu bieten [...]. Sprechen Sie Ihren Onkologen des Vertrauens an [...], ansonsten wenden Sie sich an die Ärztekammer, an die Politiker Ihres Vertrauens bzw. an Ihre Krankenkasse.
- Wenn man noch die Kraft hat nach so einer Tortour…” *
Menschen, die vor der Krebsbehandlung stehen, stoßen auch auf eine Reihe von persönlichen Barrieren. Einkommen, geografische Lage, Mangel an Fachkräften oder mögliche Diskriminierung aufgrund der Bildung, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter oder verschiedener körperlicher Einschränkungen, um nur einige Faktoren zu nennen6.
Mit der steigenden Krebsrate gehen auch erhebliche Kosten einher. Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich die Gesamtkosten für Krebs in Europa in diesem Jahr auf 199 Milliarden Euro beliefen, wobei allein 103 Milliarden Euro für die Krebsbehandlung ausgegeben wurden7. Die geschätzten globalen wirtschaftlichen Kosten von Krebserkrankungen werden zwischen 2020 und 2050 voraussichtlich 25,2 Billionen US-Dollar8 steigen, unter Berücksichtigung vorzeitiger Sterblichkeit und verringerter Produktivität9.
Die negativen Auswirkungen der Krankheit gehen jedoch über die direkten Kosten der medizinischen Behandlung und Versorgung hinaus. Weniger häufig thematisiert wird der tiefgreifende Einfluss von Krebs auf die psychische Gesundheit der Patient*innen und die damit einhergehenden Folgekosten für die Gesellschaft.
Der Umgang mit einer Krebsdiagnose und der damit verbundenen Behandlung kann für Patient*innen überwältigend und emotional sehr herausfordernd sein. Sie können mit einer Reihe von psychischen Problemen konfrontiert werden, darunter krebsbedingte Ängste, Depressionen und dem Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Die Zahlen zeigen, dass knapp die Hälfte der Patient*innen, die sich einer Krebsbehandlung unterziehen, an mindestens einem der Symptome leiden. Darüber hinaus ist die Rate schwerer depressiver Störungen bis zu dreimal höher als in der Allgemeinbevölkerung.
“Mir hat niemand geholfen, kein Onkologe. Man sagte mir, ich bräuchte keine Psychoonkologie usw., bis ich kurz vor Weihnachten im Hospiz landete. Was ich erlebte, war wie ein Horrorfilm.”
Krebsbedingte Belastungen können zu einer verminderten Lebensqualität führen, was bedeutet, dass bei Patient*innen eine Schwächung ihrer körperlichen, emotionalen, sozialen und spirituellen Stabilität auftreten kann10. Zahlreiche Studien belegen, dass eine psychische Erkrankung die Ergebnisse einer Krebsbehandlung verschlechtern kann. Beispielsweise waren bei einer Gruppe von Krebspatient*innen Depressionen und Angstzustände mit einem Wiederauftreten der Krankheit verbunden11. Darüber hinaus ist es bei depressiven Patient*innen weniger wahrscheinlich, dass sie den ärztlichen Anweisungen folgen12 oder regelmäßig Sport treiben, zudem neigen sie dazu, Tabak oder Alkohol zu missbrauchen13. Um die schwierigen Folgen psychischer Belastungen zu bewältigen oder sogar zu verhindern, ist es daher unerlässlich, Krebspatient*innen zusätzlich zu ihrer regulären Krebstherapie ausreichende Unterstützung für ihre psychische Gesundheit anzubieten.
Eine hochwertige Krebsversorgung beinhaltet die Aspekte Würde, Respekt, Hilfsbereitschaft und Wärme und berücksichtigt nicht nur die körperlichen Auswirkungen der Krebserkrankung, sondern auch das emotionale, sexuelle und soziale Wohlbefinden jedes Einzelnen aber auch seiner Betreuer*innen.
Pflegende Angehörige von Krebspatient*innen - in der Regel Partner*innen, Familienmitglieder oder Freunde - werden oft nur unzureichend vorbereitet, informiert oder unterstützt, um ihre wichtige Rolle wahrzunehmen. Oft stellen die Pflegenden auch ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle zurück, um sich auf die krebskranke Person zu konzentrieren, was in manchen Fällen zu sozialer Isolation und Depression führen kann.
“Was mir fehlt, wo bleibt die Betreuung der Angehörigen?? Es ist als ob das System auf diesem Auge völlig blind ist. Wir Angehörigen sind der Kollateralschaden und bleiben auf diesem Schaden sitzen. Ich habe meine Frau bis zu ihrem Tod betreut, sie war 31, dann bekam meine 7 jährige Tochter auch Krebs… ich habe sie betreut… nun habe ich PTBS, da hilft einem keiner! Das ärgert mich unendlich. Es wird Zeit etwas für die Betroffenen zu machen!”
Studien haben ergeben, dass Krebs-Selbsthilfegruppen das Selbstwertgefühl stärken, Depressionen und Ängste abbauen und die Beziehungen zu Familienmitgliedern und Freunden verbessern können. Für die Betroffenen können eine starke emotionale Unterstützung und liebevolle Beziehungen zu Partner*innen, Freunden und Familien einen großen Unterschied in ihrem Leben ausmachen14.
Psychoonkologische Betreuungsprogramme sollten daher nicht nur die Patient*innen, sondern auch ihre Betreuer*innen einbeziehen. Bestandteil der psychoonkologischen Versorgung sollte nicht nur Diagnosezeitpunkt, Behandlung, und Nachsorge sein, sondern auch die Prävention zur Stärkung der Resilienz.
“Die Wahrscheinlichkeit zu Erkranken wächst mit zunehmenden Alter und ich kenne kaum jemanden, der sich vor seiner eigenen Erkrankung damit auseinandersetzt und Fähigkeiten zur Bewältigung entwickelt, vor allem emotionale Fähigkeiten, mit der dann allgegenwärtigen Angst umzugehen. (...)”
Obwohl psychoonkologische Unterstützung in verschiedenen Ländern zunehmend an Bedeutung gewinnt, besteht immer noch eine erhebliche Versorgungslücke. Dies ist vor allem auf fehlende Ressourcen, den Mangel an ausgebildeten Fachkräften (Psychotherapeut*innen, Psychoonkolog*innen), die anhaltende Stigmatisierung der psychischen Gesundheit, sowie finanzielle und geografische Barrieren oder einfach auf niedriges Bewusstsein für die Bedeutung der psychoonkologischen Betreuung zurückzuführen.
“Das stimmt, geht mir genauso...und nach der Chemo und den Bestrahlungen kümmert sich niemand mehr.”
Die krebsbedingten psychischen Belastungen, besonders, wenn sie unbehandelt bleiben, erhöhen die ohnehin bestehenden enormen Kosten der onkologischen Versorgung. Unbehandelte psychische Belastungen wirken sich negativ auf die Adhärenz der Patient*innen, ihre Eigeninitiative sowie auf den generellen Behandlungserfolg aus. Diese Patient*innen tragen gegebenenfalls ein höheres Risiko für Komplikationen, eine geringere Toleranz gegenüber Nebenwirkungen und/oder benötigen sogar zusätzliche Behandlungen oder verlängerte Krankenhausaufenthalte. Dadurch werden Ressourcen des Gesundheitssystems stärker in Anspruch genommen, was wiederum zu einer größeren wirtschaftlichen Belastung für das gesamte Gesundheitssystem führt.
“(...) Eine Alleinseinserfahrung zu einer Zeit, wo man sie am wenigsten machen möchte, als wäre man zu einer Bergtour aufgefordert, auf die man in gesündesten Tagen keine Kraft hatte. Die medizinischen Angebote beschränken sich häufig auf das körperlich notwendige in unserem durchrationalisiertem Gesundheitswesen. (...).”
Derzeit bietet leider kein Gesundheitssystem auf der Welt eine ausreichend effektive psychoonkologische Versorgung an, die allen Krebspatient*innen zur Verfügung steht.
“(...) Für die Patient*innen (...) kommt die Betreuung durch Psychoonkologen oft viel zu kurz bzw. gar nicht an.”
Angesichts der eskalierenden Anzahl der Krebserkrankungen und der damit verbundenen Kosten ist es also dringend erforderlich, wirksame Lösungen zu finden.
Deshalb haben wir von Prosoma Living Well Plus entwickelt. Eine digitale und hybride psychoonkologische Versorgung, die allen erwachsenen Krebspatient*innen genau dann zur Verfügung steht, wenn sie gebraucht wird. Die App bietet zahlreiche Informationen, Übungen und Techniken, um mit Ängsten, Stress und depressiven Symptomen besser umzugehen. Zusätzlich können in telefonischen Einzelgesprächen individuelle Themen mit zertifizierten Psychoonkolog*innen bearbeitet werden.
Mehr Informationen: https://www.prosoma.com/de/living-well-plus-kostenlos-fuer-versicherte
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*In dem Artikel wurden echten Aussagen der Personen eingeführt, die direkt oder indirekt vor der Herausforderung einer Krebserkrankung stehen; Quelle: Prosoma’s Soziale Medien